Verfallen Urlaubsansprüche wirklich am 31.03. des Folgejahres?

19.02.2018

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sieht vor, dass der Jahresurlaub eines Arbeitnehmers grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden muss. Wird der Urlaub nicht genommen, verfällt er, es sei denn es liegt eine der im BurlG geregelten Ausnahmen vor. Danach ist der Urlaub nämlich bis zum 31.03. eines Folgejahres zu übertragen, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Inanspruchnahme des Urlaubs bis zum 31.12. unmöglich gemacht haben.

Dringende persönliche Gründe sind z.B. Arbeitsunfähigkeit sowie die Pflege oder Erkrankung eines Angehörigen. Dringende betriebliche Gründe sind z.B. erhebliche personelle Engpässe aufgrund von Krankheit anderer Arbeitnehmer und/oder termin- oder saisongebundenen Aufträgen. Ist einer dieser Gründe gegeben, wird der Urlaub in das Folgejahr übertragen, ohne dass es weiterer Erklärungen bedarf. Allerdings muss der Arbeitnehmer das Vorliegen der Gründe beweisen.

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren arbeitnehmerfreundliche Entscheidungen getroffen, die über den gesetzlichen Wortlaut und die dort geregelten Ausnahmetatbestände hinausreichen. Federführend sind hier die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), dessen Rechtsprechung auch in Deutschland zu beachten ist.

So hat der EuGH unter anderem eine Entscheidung getroffen, die Arbeitnehmer mit langandauernden Erkrankungen betrifft. Deren Urlaub ist unter bestimmten Voraussetzungen bis zum 31.03. des auf das Folgejahr folgenden Jahres zu übertragen.

Ist ein Arbeitnehmer z.B. im Jahr 2016 erkrankt und wird erst im 1. Quartal 2018 wieder gesund, hat er noch Anspruch auf Gewährung des gesamten Urlaub 2017, aber auch 2016, der entgegen dem Gesetzeswortlaut nicht am 31.03.2017 verfallen ist, sondern erst am 31.03.2018 verfällt.

Was ist aber mit Urlaubsansprüchen, bei denen z.B. der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen keinen Urlaub gewährt und/oder der Arbeitnehmer überhaupt keinen Urlaubsantrag stellt. Verfällt auch dieser Anspruch am 31.03. des Folgejahres?

Auch hier hat der EuGH im November 2017 eine Entscheidung getroffen, die abweichend vom Gesetzeswortlaut auch in Deutschland zu beachten ist.

Danach verfällt ein Anspruch auf Jahresurlaub weder am Ende eines Jahres bzw. am 31.03. des Folgejahres, wenn der Arbeitnehmer ihn aus Gründen, die in der Verantwortung des Arbeitgebers liegen, nicht nehmen konnte. Vielmehr habe der Arbeitgeber die Folgen zu tragen, wenn er seinen Arbeitnehmer nicht in die Lage versetze, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben. Insoweit können solche Ansprüche übertragen und angesammelt werden. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, den Urlaub zu gewähren oder nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Zahlung abzugelten.

Aber auch in Fällen, in denen die Nichtgewährung des Urlaubs nicht in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fällt, z.B. in Fällen in denen ein Arbeitnehmer überhaupt keinen Urlaubsantrag stellt, kommt Bewegung in die Rechtsprechung. Das Bundesarbeitsgericht hat den EuGH um eine Entscheidung ersucht, ob ein Arbeitgeber verpflichtet ist, Urlaub zu gewähren und gegebenenfalls einseitig festzulegen, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag stellt. Die Entscheidung steht jedoch noch aus.

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es deshalb also nicht so, dass ein Urlaubsanspruch am 31.03. des Folgejahres automatisch bzw. zwingend verfällt. Vielmehr gibt es schon jetzt viele Ausnahmen zugunsten des Arbeitnehmers, die über die gesetzliche Regelung hinausgehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich daraus auch die Verpflichtung ergeben kann, dass der Arbeitgeber Urlaub anordnen muss, wenn der Arbeitnehmer keinen Antrag stellt, um zu vermeiden, zu einem späteren Zeitpunkt mit jahrelang angesammelten Urlaubsansprüchen konfrontiert zu werden.